Mein erstes Mal… [2012/06/19 - av]
Donnerstag, zehn Uhr in Bergisch Gladbach-Moitzfeld bei SiT, leichter Regen. Ideales Wetter für einen Fahrtechnikkurs für Frauen „only“ sieht anders aus. Der Parkplatz ist natürlich voll, also versuche ich mein Glück in den umliegenden Nebenstraßen. Wo ist ja egal, ich habe schließlich ein Mountainbike im Kofferraum! Genau, mein neues Mountainbike, von dem ich vor ein paar Wochen noch gar nicht wusste, dass ich eins brauche! Meine ersten Fahrversuche, so ganz alleine auf weiter Flur, waren ganz nett, aber da war alles dabei – von tauben Fingern bis hin zu Schmerzen am Dingens, ähm, also, dem Bürzel…
Nach einem sonntäglichen Ausflug in die Wahner Heide (zwischenzeitlich immerhin schon mit Radhose, wegen des oben erwähnten Dingens) hatte ich mehr offene Fragen als Erkenntnisse. Und nu? Was tun? Ich hätte Martin fragen können, aber einen Trans Germany Finisher fragt man doch nicht, wie man mit Anstand einen Berg, ähm, einen Hügel runterfährt. So dachte ich zumindest. 😉
Also „Mountainbike“ und „Kurs“ bei Google eingeben, auf Suchen klicken und schwupps – jetzt stehe ich in Moitzfeld.
Wir sind 11 Frauen, bunt gemischt, alt, jung, groß, klein, einige mit eigenem Mountainbike, andere mit Leihfahrrad, aber alle – wie es sich gehört – mit Helm und alle wollen MTB fahren lernen! Nach einer kurzen Lagebesprechung geht’s los, quer durch den Wald zu einem Parkplatz, wo wir die meiste Zeit des Kurses verbringen werden. Und das beste ist: es geht erst mal nur bergab! Nein, was ist es im Bergischen schön!!
Die Wege sind nass und matschig und ich amüsiere mich noch ein bißchen darüber, wie der Popo von meiner Vorderfrau nach und nach die Farbe verändert, als mir dann so langsam klar wird, dass meiner höchstwahrscheinlich auch nicht viel besser aussieht. Und – um ehrlich zu sein – er fühlt sich auch immer mehr so an, als würde er so aussehen. Aber sind wir mal ehrlich: Schutzbleche sind was für Mädchen!
Auf dem angefahrenen Wanderparkplatz bekommt jede von uns nach einer kurzen Überprüfung der Bikes (meins war perfekt eingestellt – juchu!) ein Hütchen und den Auftrag, möglichst kleine Kreise drumherum zu fahren. Da war gleich das erste meiner Probleme, denn klein waren meine Kreise nicht gerade. Ein Blick auf die Kreise meiner Mitstreiterin zur Rechten zeigte mir das deutlich. Aber siehe da, nach dem Tipp, in Richtung Kurvenausgang zu schauen und NICHT AUF DEN BODEN ging es nach einer Weile dann doch schon ganz ordentlich. Komisch, ich dachte immer, ich würde schon zum Kurvenausgang schauen?! War aber wohl nicht so!! Den Restabstand zu meinem Hütchen bekomme ich mit etwas Übung auch noch hin.
Danach haben wir das Ganze noch in einem abgesteckten, garagengroßen Feld geübt, das nach und nach immer schmaler gesteckt wurde. Hierzu möchte ich lieber nichts sagen, außer, dass ich im Moment wohl eher noch eine große Garage brauche.
Das nächste Thema war: Bremsen. Abwechselnd Hinterrad-, Vorderradbremse und dann beide zusammen. Im Gegensatz zu einigen meiner Mitfahrerinnen, die teilweise haarsträubende Geschichten von Abgängen über den Lenker in den Knochen oder zumindest im Kopf hatten, konnte ich da ganz unbelastet drangehen. Auch die Geschichte von „dem einen“, der sich beim letzten Kurs beim bremsen üben das Schlüsselbein gebrochen hatte, konnte mich nicht bremsen. Also, bremsen im Sinne von abschrecken. Zur Verbesserung „Straßenlage“ beim Bremsen mussten wir teilweise mit dem Hintern über das Hinterrad rutschen. Kam mir zwar komisch vor, aber gemacht hab ich’s auch. Nicht denken – die werden schon wissen, was sie tun!
Ach, wo wir gerade davon sprechen: „Mittelposition“! Meine Mittelposition, Pedalstellung bei 9 und 3 Uhr, war meistens „Fünf vor fünf“ oder „10 vor vier“, aber je öfter/weiter mein Hintern über dem Hinterrad war, desto besser wurde es! „Na also, Fräulein, geht doch!“ war der Kommentar von Manu (unsere Bike Instructor), als ich das letzte Mal an ihr vorbeigebremst kam!
Danach kam eine Übung, bei deren Beschreibung ich fast gelacht hätte: mit dem Vorderrad frontal gegen den Zaun, auf dem Rad balancierend, das Gleichgewicht halten!! Ja, geht’s denn noch? Spinnt die? Wie soll das denn gehen??? Aber drei Minuten später gings, und ich muss sagen ich bin jetzt noch begeistert!
Und endlich, nach der Mittagspause ging es dann richtig los: in den Wald.
Alle mörderkonzentriert, Mittelposition beim Bergabfahren, Abstand zur Vorderfrau, schalten, lenken, atmen, viel Wald haben wir dabei wohl alle nicht gesehen! Dann kam das Kommando „alle in einen relativ kleinen Gang schalten“, man konnte vereinzelt Gemurmel hören wie „ähm, wo muss das rote Ding dann nochmal stehen“ aber irgendwann standen wir alle vor einem Anstieg und hatten auch alle einen recht kleinen Gang drin. Anfahren am Berg war angesagt und dabei kam ich mir zum ersten Mal nicht vor wie ein totaler Anfänger. Ich war mit meinen Übungen schnell fertig und hatte Zeit, den anderen beim Anfahren zuzusehen: Pedal hoch auf auf Anschlag, Gewicht nach vorne und beim Antreten direkt rauf aufs Rad, direkt wieder runter und das ganze von vorne! Da wird auch aus einem kleinen Anstieg ein Berg!!
Und wo man einen Berg rauf fährt, muss man auch wieder runter – und was, wenn man dabei mal schnell vom Rad muss? Also nicht ins Gebüsch, sondern richtig notfallmäßig? Richtig, auch dafür gibt’s eine Technik, die wir direkt am nächsten kleinen Hang geübt haben: Hintern hinter dem Sattel, fast auf dem Hinterrad platznehmen, bremsen, ein Bein (hier war es das linke) weit zur Seite raus, rechte Hand von der Bremse, Fahrrad unter sich raus lassen, dabei mit der rechten Hand an den Sattel und evtl. dann die linke Hand von der Bremse und lieber das Rad als man selbst den Berg runter rauschen lassen. Aber letzteres habe ich dann doch lieber gelassen, schließlich war es Liebe auf den ersten Blick zwischen meinem schwarzen Rädchen und mir!! Und dann sind wir mit all unseren neu erworbenen Kenntnissen einen riesigen Berg (bzw. einen kleinen Hang), rasend schnell (also, eher langsam) runtergefahren und fühlten uns dabei soooo guuut! Ich war angefixt und wollte mehr – und den anderen ging es genauso!
Ja und am Sonntag, 10 Tage und wenige Kilometer später, war es endlich soweit: das erste Mal mit meinem Rad in der Eifel. Hurra! Geplant waren ca. 25 km und 500 hm: einmal rund um den Rursee und zum Schluß „der Berg“!
Ich stand also wieder mal auf einem Parkplatz (wird schon fast zur Gewohnheit…) und wartete, diesmal auf Martin. Er war sowieso am Rursee unterwegs und hatte mir angeboten, eine (für ihn sicher kleine) Runde mit mir zu fahren. Mein Rad war sauber, ich auch, die Wasserflasche voll, Schokoriegel und andere wichtige Dinge im Rucksack und ich kam mir – um ehrlich zu sein – schon sehr cool vor! Dann kam Martin ums Eck und seine erste Frage nach der Begrüßung war: „Hattet ihr im Kurs auch Bordsteinhochfahren? Dann mal los!“ und fuhr elegant diesen mörderhohen, original Eifler Bordstein hoch! Bei uns in Troisdorf sind die nicht so hoch! Ich schwör!
Dann gings los, ein kurzes Stück Asphalt über die Staumauer bergauf und dann rechts rein über einen Parkplatz in den Wald auf den Seerandweg. Ich bin mal tapfer mitgeradelt und hab gespannt auf die Dinge gewartet, die da kommen sollten. Und ich wollte unbedingt mal spüren, wie es ist, wenn einem die Beine beim bergauffahren weh tun! Komisch, ne? Aber wahr!
Unterwegs haben wir Heerscharen von Wanderern freundlich gegrüßt, ein Vögelchen (ich hätte Bussard dazu gesagt?) und eine Natter gesehen. Letztere konnte ich nicht wirklich erkennen – ich war vollauf mit Bremsen beschäftigt. Mein Nebenmann schrie aber auf einmal irgendwas unverständliches mit „Halt, da, bllblschla…“ und war sich ganz sicher, eine riesige Schlange gesehen zu haben. Als ich mit vorschriftsmäßigem Bremsen (hatten wir schließlich im Kurs!) fertig war und elegant zum stehen kam, war sie allerdings schon weg. Als dann irgendwann auch klar war, wer wem wann ausweicht und wer wie wo fährt, ich durch die ersten Pfützen gehoppelt bin, da fing es dann, echt Spass zu machen! Mit dem Schalten bin ich auch gut klargekommen und ab und zu habe ich auch mal was vom Wald gesehen!!
Die erste Hälfte über den Seerandweg bis Rurberg war überraschend schnell geschafft, aber „den Berg“ hatte ich ja noch vor mir! Es dauerte nur wenig Kilometer und dann kam er endlich: mein erster, richtiger Berg! Der Kermeter! (Den ersten Berg vergisst man nie wieder!) Am Anfang war ich viel zu schnell und wollte trotzdem noch ein paar Gänge nach unten „sparen“. Und jedes Mal, wenn wir irgendwem begegnet sind, bin ich wieder schneller geworden! Puh, das wurd‘ anstrengend! Aber Martin, der die ganze Zeit in einem für ihn sicher ungewohnt langsamen Tempo neben mir gefahren ist, hat mir eins nach dem anderen abgewöhnt. Also fast im kleinsten Gang, schön langsam (das Vorderrad hat dabei was von Zeitlupe), in Kurven immer außen, da ist es nicht so steil und ab und zu auch mal die Landschaft genießen (Da ist die Staumauer! Wo??? Ich seh nix, keuch…!) Zwischendurch haben wir auch mal angehalten und runter auf die Staumauer gesehen, wo wir eben noch waren! Meine Herren, war das schön!!!! Und so weit unten! Wenig später waren wir dann auch schon oben. Ich hatte es geschafft, unterwegs nicht zu fragen: „Sind wir bald da?“ (Eine implizite Antwort auf die nicht gestellte Frage habe ich trotzdem genau zum richtigen Zeitpunkt erhalten – und das hat echt geholfen, durchzuhalten!)
Aber wie war das noch gleich? Wer hoch fährt, muss auch wieder runter. Manche fahren hoch, um runterfahren zu können. Ich fahre im Moment noch runter, damit ich wieder hochfahren kann. Verrückte Welt! Martin fährt vor und verschwindet nach unten im Wald. Weg isser! Ich fahre vorsichtig hinterher, schaue runter und denke nur „Ach du Sch…!! Andrea, nicht denken, einfach runter, sonst gehst du zu Fuß“! Das war echt hart für mich, bergab ist noch nicht so mein Ding, was meine Scheibenbremsen auch schnell mit Quietschen quittiert haben.
Martins Tipp, die Bremsen nicht schleifen zu lassen sondern einfach ein Stück laufen lassen und wieder bremsen, ein Stück laufen lassen und wieder bremsen, ein Stück laufen lassen und wieder bremsen, (…), habe ich probiert, auch wenn ich dabei mehr gebremst als laufen gelassen habe. Aber ich bin da runter gekommen! Die Pause danach auf der Bank mit Blick auf den See hat gut getan, so mit nem leckeren Schokoriegel und schön in der Sonne!
Tja, und dann war es auch schnell vorbei und wir waren wieder am Seehof, wo alles angefangen hat! Noch ein von der Rursee Schifffahrt gesponsertes Eis und ein kleines Schwätzchen mit dem Chef von et Janze und dann saß ich auch schon wieder im Auto und war auf dem Heimweg!
Ja und heute habe ich erst mal Bordstein geübt. Muss ich noch mehr sagen?
[Hier gibts den Track – aufgezeichnet mit meinem iPhone – zum anschauen und staunen 😉 ]